1. Philharmonisches Kammerkonzert am 21. Januar 2025 im Kleinen Glockensaal

Bei einem Quintett könnte man sofort an das sprichwörtliche „Fünfte Rad am Wagen“ denken: eben eins zu viel. Musikalisch sieht es allerdings deutlich anders aus. So hat sich das im Mendelssohnjahr 2009 gegründete Bartholdy-Streichquartett auch von Beginn an nicht auch als Quartett mit Anhang gesehen. Dass die fünf Musizierenden tatsächlich allesamt gleichberechtigt ihren Platz im Ensemble haben, das konnten die Zuhörer des 5.Philharmonischen Kammerkonzerts eindrucksvoll erleben.
Los ging’s mit den „2 Sätzen für Streichquintett“ des in Wien gebürtigen Komponisten und Dirigenten Alexander von Zemlinski. Dabei handelt es sich um die Ecksätze eines ansonsten leider verschollenen Streichquartetts, das 1896 uraufgeführt wurde. Der Einstieg wirkt eher dunkelfarbig, aber recht kraftvoll. Dass so manche Passagen an Brahms’ Kompositionen erinnern, verwundert nicht; denn Zemlinsky war von dessen Musik höchst angetan und bezog sich kompositorisch häufig darauf. Die Darbietung durch das Bartholdy-Quintetts gefiel unmittelbar durch kompakte, gleichwohl transparente Klanggebung und homogenes Zusammenspiel. Das zeigte sich auch in der forschen Herangehensweise beim Prestissimo-Satz mit dem Zusatz „mit Humor“. Die quirlig schnellen Figurationen gingen den fünf Streichern locker von der Hand, ebenso wie die tänzerisch schwingenden Sequenzen, die im dann hart tackernden, ungeduldig vorandrängenden Schlusspart einem fulminanten Höhepunkt zustrebten.
Bei Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquintett D-Dur KV 593 war hingegen luftige Leichtigkeit angesagt. Allerdings nicht unmittelbar; denn eingangs, im Larghetto-Teil, absolvierten Cello und die weiteren vier Streicher zunächst einen behutsam vorgetragenen Frage-Antwort-Dialog, um dann mit lebhafter Verve in die munteren Allegro-Wohlfühlharmonien einzusteigen. Unerwartet ernst, mit vorsichtig verschatteter Färbung, geriet das ruhig fließende Adagio. Der Menuetto-Satz gefiel indes mit teils folkloristischer Eingängigkeit samt galanten Verzierungen, die von den Vortragenden präzise und pointiert ausgeführt wurden. Der Allegro-Schlusssatz erinnerte im changierenden Spiel der Instrumente mitunter an das unruhig schwebende Flattern eines Schmetterlings. Mit sportlich agilen Metrum angegangen, hätte er zudem als idealer „Rausschmeißer“ dienen können. Beim genauen Hinhören wie auch durch die prägnante Akzentsetzung der Streicher wurde jedoch erkennbar, dass das Werk unter seiner scheinbar so leicht und unterhaltsam anmutenden Oberflächenform eine raffiniert konzipierte Komposition verbirgt, in der etwa überraschend fugierte Motive auftauchen. Eben typisch das Genie Mozart, dessen Werke oft simpel erscheinen mögen, aber sowohl kompositorisch als auch im Hinblick auf einen adäquate, auf Leichtigkeit abzielende Ausführung außerordentlich anspruchsvoll sind. Von daher war das Werk in den Händen der fünf Bartholdy-Musiker – Anke Dill und Ulf Schneider: Violine, Barbara Westphal und Volker Jacobsen: Viola, Gustav Rivinius: Violoncello – zweifellos bestens aufgehoben.
Anton Bruckners einziges Streichquintett, das in der zweiten Konzerthälfte präsentiert wurde, verbreitete eine gänzlich andere, im Grundduktus eher ernstere, weniger kammermusikalische als viel mehr über weite Strecken hin sinfonische Atmosphäre. Hier konnte und musste mit ganz viel Bogen gespielt werden, hier überzeugte das Ensemble mit teils fast schon hymnischer Klanglichkeit und groß angelegten, sorgfältig entwickelten Spannungsbögen. Beinahe im Gegensatz dazu – und dennoch in organischer Einheit – wurden in dem sorgfältig strukturierten Themenmosaik immer wieder auch folkloristische, alpenländisch bäuerliche Motive erkennbar, so wie es bei Bruckner auch in den großen Sinfonien nicht selten der Fall ist.
Ausnehmend schön geriet der 3.Satz Adagio: Anke Dill, die hier die Position der Ersten Geige innehatte, überzeugte mit höchst expressivem, zwischen nuanciert melancholisch eingefärbtem und aufwühlend leidenschaftlichem, fast wie ein „Misere“ wirkendem Vortrag. Dieses ausdrucksintensive Spiel wurde auch von den anderen Instrumenten weitergeführt, wenn sie im Rollenwechsel ebenfalls mit der Fortführung des Themas dominierten und schließlich, nach einem kraftvollen, quasi „Amen“-artigen Aufwallen gemeinsam in einem sinnierend feinen Pianissimo verklangen.
Zum grandiosen Höhepunkt wurde das harmonisch kühne Finale „Lebhaft bewegt“. Hier demonstrierten die fünf souverän agierenden Musiker ein beeindruckendes Klangvolumen ihrer Instrumente, dabei aber auch ein feinfühliges Umspielen der einzelnen Themen, das dem Satz selbst bei markant konturierten Fugato-Partien bis hin zum fulminant jubelnden Ausklang eine angenehme Beschwingtheit verlieh.
Nach begeistertem Beifall hatte das Ensemble noch eine Zugabe parat, nämlich ein ursprünglich als 5.Satz des Bruckner-Streichquintetts angedachtes Intermezzo, dessen geradezu unbeschwert heitere Stimmung für einen optimal passenden Schlussakzent sorgte.

von Gerd Klingeberg