- Philharmonisches Kammerkonzert (201.Spielzeit) mit Nils Mönkemeyer und dem Signum Quartett
28.Oktober 2025 im Kleinen Saal der Glocke
von Gerd Klingeberg
Warum in die Ferne schweifen, fragte sich dereinst schon Dichterkönig Goethe. Denn das so nahe liegende Gute für die Besetzung des 2.Philharmonischen Kammerkonzerts fand sich quasi vor Ort. Nämlich mit dem 1994 gegründeten, in Bremen beheimateten, weltweit agierenden Signum Quartett, dessen 1.Geiger Florian Donderer vielen Bremern bekannt ist als einstmals langjähriger Konzertmeister der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Auch für die Aufstockung des Ensembles zum Streichquintett bedurfte es keiner weiten Wege, stand doch mit Nils Mönkemeyer, derzeit als Artist in Residence tätig und auch ansonsten in vielfältiger Weise mit Bremen verbunden, ein in jeder Hinsicht adäquater Bratschist zur Verfügung.
Dass diese Zusammensetzung bestens harmonierte, wurde von Beginn an bei Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquintett Nr.5 D-Dur ohrenfällig. Und war gewiss auch zwingende Voraussetzung für eine gelungene Interpretation dieses Spätwerkes, das sich in seinem diffizilen Aufbau von mancher luftig leichten anmutenden Mozart-Komposition deutlich unterscheidet. Mit großen, sorgfältig ausgeformten Spannungsbögen und prägnanten Akzentuierungen präsentierte das Ensemble bei durchweg ausgewogener Balance der Einzelstimmen eine detailliert durchdachte Darbietung.
So imponierten etwa im 2.Satz Adagio die Passagen intensiver „Gespräche“, bei denen manche „Fragen“ im Raum stehen zu bleiben schienen, andere hingegen mit großer Impulsivität geradezu abgeschmettert wurden. Das Menuetto gefiel als munteres Musizieren mit teils folkloristischer Beschwingtheit, aber auch – im Trio – mit freundlichem, hin und wieder augenzwinkernd verschmitztem Ausdruck der sauber ineinandergreifenden Einzelstimmen.
Insbesondere das finale Allegro verdeutlichte die mozartische kompositorische Genialität mit höchst kunstvollen Verschachtelungen, raffinierten Läufen und Figurationen, die von den fünf Instrumentalisten (Florian Donderer und Annette Walther: Violine; Nils Mönkemeyer und Xandi van Dijk: Viola; Thomas Schmitz: Violoncello) in scharf strukturierter Konturierung und optimaler Transparenz zu Gehör gebracht wurden.
Mit dem Streichquartett op.8 der hierzulande bislang noch weitestgehend unbekannten, anno 1940 mit nur 25 Jahren leider viel zu früh verstorbenen tschechischen Komponistin und Dirigentin Vítězslava Kaprálová erwartete die Zuhörer ein vor knapp 100 Jahren entstandenes kammermusikalisches Opus voller leidenschaftlicher Energie und komplexer Harmonik. Mit gebührendem musikantischem Elan ging Signum ans Werk, ließ es im unentwegten Vorantreiben bei straffem Metrum pulsieren, formte dazu die melodischen Einwürfe, die markanten Pizzicato-Tupfer, die beinahe schon jazzig anmutenden kurzen Ausbrüche wie auch die im höchsten Diskant flirrenden Partien zu einem faszinierenden kaleidoskopischen Ganzen. Stark kontrastierte dazu der von einer dunklen Cello-Melodie eingeleitete Lento-Mittelsatz mit seinen ruhigen, gemütvoll kantablen Abschnitten, aus denen gelegentlich humorvolle Ausbruchsmomente hervorblitzten, bis der Satz schließlich in nocturnalen Sehnsuchtsklängen verhallte.
Das „Allegro con variazioni“ erwies sich als harmonisch vielschichtige Ausarbeitung des eingangs vorgestellten, nicht immer einfach erkennbaren Themas. Zunächst noch von hartem Rhythmus vorangetrieben, wurde es zur stimmungsvollen „Es-war-einmal“-Romanze, um dann nach gepizztem Neustart bei steter Verdichtung und allmählich zunehmender Akzeleration aufzublühen bis hin zum fulminanten Finale. Ein mitreißendes musikalisches Erlebnis voller Überraschungen, das vom enthusiasmierten Publikum mit ausgedehntem Beifall bedacht wurde.
Blieb noch das Streichquintett Nr.1 A-Dur op. 18 von Felix Mendelssohn Bartholdy, das ausgefeilte Werk eines 17-jährigen Genies. Der Kopfsatz imponierte mit gleichermaßen von Eleganz und Wärme, aber auch von jugendlichem Ungestüm durchdrungener, mitunter gar etüdenhaft komplizierter Tonsprache. So ganz anders dagegen der berührende, beinahe schon elegische 2.Satz Andante sostenuto, der erst später hinzukomponiert wurde unter dem Eindruck des frühen Todes von Eduard Rietz, dem ersten Violinlehrer und engen Freund des jungen Felix. Einfühlsam gestaltete das Quintett diese lyrischen ‚Lieder ohne Worte‘, ein ruhevolles Schwelgen in fließenden Harmonien (das man sich teils gar noch etwas bedächtiger hätte vorstellen können), mit nur kurzen Momenten des Aufbegehrens und einem trostvollen Schluss.
In straff tackerndem Metrum wie kobolthaft huschend, erinnerte der Folgesatz Scherzo frappant an gleichartige Partien im „Sommernachtstraum“. Das Ensemble präsentierte ihn in metronomischer Präzision, hier und da angereichert und befeuert von sforzando-harten Einwürfen. Und schließlich entschwindend wie ein irritierender Spuk. Nicht minder unbeschwert und packend lebhaft bei geradezu orchestraler Klangdichte geriet der eingängige Schlusssatz Allegro mit seinem furiosen Sturmlauf-Finale.
Für den erneut aufbrandenden Beifall bedankte sich das sympathische Ensemble mit einer perfekt passenden Zugabe: Mendelssohns kleines, beschwingt dargebotenes Intermezzo-Menuetto fis-Moll, ursprünglich der 2.Satz seines Streichquintetts Nr.1, der durch das später komponierte, an Rietz‘ Tod erinnernde Andante-Intermezzo ersetzt wurde und – eher zu Unrecht – nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen gespielt wird.