- Philharmonisches Kammerkonzert mit dem Curtis-on-Tour-Ensemble
am 21. Mai 2025 im Kleinen Saal der Glocke
von Gerd Klingeberg
Es ist gute Tradition, das der Saisonabschluss der Philharmonischen Kammerkonzerte von jungen Absolventen des renommierten Curtis Institute of Music (Philadelphia, U.S.A.) bestritten wird. So auch diesmal, noch dazu mit einem besonderen Bonbon, nämlich der Uraufführung einer von der PGB in Auftrag gegebenen Komposition „Ar(i)a“, einem Trio für Violine, Viola und Klavier von Alistair Coleman, der bereits mit etlichen preisgekrönten kammermusikalischen Werken weltweit in Erscheinung getreten ist.
Dunkle, sehr ruhig ausgeführte Akkorde des Klaviers (Serena Wang) markieren den ariosen Beginn. Wie aus der Ferne kommend gesellen sich Violine (Alexandra Cooreman) und Bratsche (Alyssa Warcup) dazu mit warmtönigen, allmählich anschwellenden Klängen. Das unaufgeregte Metrum der dämmerlichtigen Harmonien verbreitet eine faszinierende Atmosphäre; leuchtend farbige, facettenreiche Bilder werden kunstvoll inszeniert. Das Spiel wird straffer, voluminöser, aufgeregter; über wuchtigem Klavierfundament steigern sich die Streichereskapaden zum wilden Fortissimo, das sich kurz darauf wieder einpendelt auf mittlerer Dynamik. Diese von den jungen Interpretinnen mit musikantischer Verve grandios ausgeführte Wellenbewegung wiederholt sich ein paar Male, nimmt die Zuhörer mit in eine fremde, mit ihrer betörenden Klangfarbigkeit dennoch irgendwie vertraut anmutende Welt, in der man sich problemlos zurechtfindet. Der Schluss kommt einigermaßen überraschend, aber der faszinierende Höreindruck wirkt noch intensiv nach.
Das 1914 entstandene Klaviertrio a-Moll von Maurice Ravel führt mit anderer Besetzung die Stimmung von Colemans „Ar(i)a“ weiter mit einem melodischen Thema. Die Besetzung hat sich etwas verändert: Es gibt keine Bratsche, sondern ganz klassisch einen Cello-Part, gespielt von Gary Hoffman, der die jungen Musiker on Tour als inspirierender Mentor begleitet. Der Kopfsatz Modéré gefällt mit klangvollen, vom Klavier schillernd untermalten Streichersequenzen, die zwischenzeitlich immer wieder heftig aufwallen, um schließlich nocturnal sanft zu verklingen.
Verspielte Springlebendigkeit prägt das energiegeladene scherzo-hafte „Pantoum“. Bei den mehrschichtig überlagerten Rhythmen und schnellen Bewegungen ist ein besonders präzises Zusammenspiel gefragt. Kein Problem für das Trio, selbst dann, wenn es mitunter gehörig aufs Tempo drückt. Deutlich kontrastierend, in vornehm tiefgründigem Ernst schreitend, folgt die thematisch vom Klavier vorgelegte „Passacaille“. Gemeinsam mit den beiden Streichinstrumenten erwächst sie zum gewaltigen Höhepunkt. Und findet langsam zurück zum anfänglich ruhevollen Modus.
Beim Finalsatz „Animé“ demonstrieren die drei Musizierenden nicht nur höchste Virtuosität; ihr fulminantes Aufspielen, bei dem streckenweise das Klavier stark dominiert, erreicht bei einer auf Höchstspannung abzielenden Dramaturgie ihrer Interpretation ein geradezu sinfonisches Ausmaß. Ein faszinierendes Wow!-Erlebnis, bei dem man anschließend prompt erst einmal tief durchatmen muss.
In der zweiten Konzerthälfte präsentiert die mit der Bratschistin komplettierte Curtis-Delegation Gabriel Faurés Klavierquartett Nr. 1. Die Tonalität ist eingängig, die drei Streicher bilden ein stabiles Gegengewicht zum Klavier. Mal überwiegen liebliche, verträumte Motive, dann wiederum geht es energisch auftrumpfend zur Sache in dichtem, typisch spätromantischem Tuttiklang; der Spannungsbogen erstreckt sich über den gesamten großdimensionierten Satz. Locker und leicht kommen im nachfolgenden Scherzo die Pizzicato-Akkorde der Streicher; sie werden kunstvoll umrankt von schnellen Klavierfigurationen. Mitreißend schwungvoll bis rasant gehen die Ausführenden mit gehörigem Spielwitz ans Werk, ohne jegliche Scheu vor stark angezogenen Tempi. Ihre gelungene Darbietung verströmt pure gute Laune.
Umso intensiver, melodiöser kommen die großen Gefühle des ungemein klangvoll vorgetragenen, stark lyrisch eingefärbten Adagio-Satzes zum Ausdruck: keine Gefühlsduselei, aber eine angenehme musikalische Kuscheldecke zum wohligen Hineinschmiegen. Der nicht gleich mit Volldampf gestartete Finalsatz Allegro fungiert indes als unüberhörbarer Weckruf. Weit ausgreifende, beseelt gestrichene Melodiebögen werden von ungestümen, fast schon ruppigen Eruptionen konterkariert. Eine kurze Generalpause lässt neue Energien nachfließen für den sich aus flirrend schillernden Phrasen formierenden, gigantischen Fortissimo-Schlussakt.
Lang anhaltender Beifall setzt ein: Gewiss hätte man von diesem engagiert aufspielenden Ensemble gerne noch mehr gehört. Aber nach dieser fraglos enormen Anstrengung – vor allem der quasi im Dauereinsatz agierenden Violinistin und Pianistin – ist es den Ausführenden wohl schwerlich zu verdenken, dass sie auf eine Zugabe verzichten bei diesem exzellenten Saisonabschluss-Konzert, das sich den ohnehin schon zahlreichen Höhepunkten dieser 200. Spielzeit in jeder Hinsicht ebenbürtig anschließt.