Kritik: Das 5. Philharmonische Kammerkonzert mit dem Quartetto di Cremona
Ein freundliches Lächeln und ein Strauß Blumen vorab schaffen positive zwischenmenschliche Verbindungen. Auch in einem klassischen Konzert. Beim 5. Philharmonischen Kammerkonzert im Kleinen Saal der Glocke kam das entschuldigende, gleichwohl sehr gewinnende Lächeln vom Cellisten, dem vor Spielbeginn erst einmal die Noten heruntergefallen waren. Als Bukett hatte das Quartetto di Cremona wunderschöne Chrysanthemen dabei, allerdings in musikalischer Form, so wie sie Giacomo Puccini in seiner elegischen Trauermusik „Crisantemi“, einem ergreifenden Andante mesto, eindrucksvoll nachzeichnete. Bei der melancholisch fließenden, bisweilen wie von einem geheimnisvollen Hauch umgebenden Ausführung durch das Ensemble vermeinte man geradezu, das Öffnen einzelner Blüten und deren zarten Duft wahrzunehmen. Ein gewiss ungewöhnlicher Auftakt, der indes die Ausdrucksintensität des italienischen Streichquartetts eindringlich verdeutlichte.
Das betraf in gleicher Weise auch das nachfolgende, anno 1811 entstandene Streichquartett f-Moll op. 95 von Ludwig van Beethoven, das vom Komponisten selbst mit der Bezeichnung „Serioso“ versehen wurde. Ein derart ausgedrückter tiefer Ernst betrifft nahezu jede einzelne Sequenz, wenngleich das markante Kopfmotiv kompromisslos hart wirkte. Die kompositorisch jeweils nur knapp angerissenen, sehr wechselvollen Stimmungslagen – ein stetes Hin und Her zwischen Auflehnung und Resignation, zwischen grenzenloser Trauer und angedeutet lichten Episoden – wurden von den Cremonensern in ihrer ganzen Schroffheit, aber auch in einer tiefschürfenden Auslotung dargeboten. Das kam besonders im Finalsatz zum Ausdruck: Zunächst ein kurzes Schwelgen in ausgeprägtem Schönklang, das indes nach wenigen Takten zum drängend schnellpulsigen, pointiert akzentuierten Allegretto wurde, um schließlich überraschend in einer geradezu spitzbübisch anmutenden Dur-Coda auszuklingen.
Als alleiniges Werk hätte der spätromantische „Langsame Satz für Streichquartett“ von Anton von Webern gewiss arg schwülstig geklungen; aber er passte ausgezeichnet in die Programmabfolge. Die Streicher betonten dabei auch das Gemütvolle, entlockten ihren Instrumenten innige Sordino-Melodik und hymnische breite Gesänge, wahrten indes die feine Grenze zu allzu süßlichem Sentiment. Sphärische Harmonien markierten den anrührenden Ausklang. Beim Streichquartett Nr. 20 D-Dur KV 499 „Hoffmeister“ von Wolfgang Amadeus Mozart war zunächst volksliedhaft tänzerische Leichtigkeit angesagt. Mit kraftvollem Kompaktklang und ausgeprägter Agogik, dazu mit reizvollen Dialogen der einzelnen Instrumentenstimmen untereinander, präsentierte das Quartett den Kopfsatz und das ausdrucksstarke Menuetto. Zum Höhepunkt wurde der langsame 3. Satz Adagio (dessen Erwähnung im Konzertprogramm leider vergessen worden war). Die großbogige Strukturierung, aber auch eine dynamisch nuancierte Ausführung ohne jedwede Gleichförmigkeit sorgten dabei für größtmögliche Spannungsintensität. Welch ein Kontrast zum Schlusssatz, der in virtuoser, ausgelassener und temperamentvoller Ausprägung, mit exakt ineinander gefügten Stimmlinien und spielfreudig angegangenen Figurationen begeisterte!
Das vielfach preisgekrönte Quartetto di Cremona feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Und es hat mit seinem beeindruckenden Konzert in der Glocke wahrhaft bewiesen, dass sein Name nicht allein eine Reminiszenz ist an den weltweit wohl bedeutendsten Ort für herausragenden Streichinstrumentenbau und die vom Ensemble gespielten, sehr wertvollen Instrumente, sondern gleichermaßen als Selbstverpflichtung zu höchster kammermusikalischer Qualität angesehen werden kann.