Kritik für das 4. Philharmonische Kammerkonzert: Leonard Elschenbroich und Alexei Grynyuk

Veröffentlicht im Weser- Kurier, Dienstag 13. Dezember 2022

In der Kritik: Elschenbroich und Grynyuk

Von Gerd Klingeberg

In einem Konzert am dritten Advent würde man kaum die „ Vier Ernsten Gesänge“ von Johannes Brahms erwarten. Diese seine letzte vollendete Komposition ist eine Vertonung von Bibelzitaten. Thematisiert wird darin die Unabänderlichkeit des Todes, aber auch die Liebe als alles überdauernde Macht. Leonard Elschenbroich intonierte die originale Gesangsstimme mit expressiv singendem Celloton, Alexei Grynyuk gefiel dazu mit einer ebenso packenden Klavierbegleitung.

Ganz ohne Worte, allein auf die Ausdrucksmöglichkeiten des instrumentalen Vortrags setzend, gelang es beiden, die zugrunde liegenden Textinhalte dennoch nachhaltig in ihrer ganzen Intensität und Tiefe zu vermitteln. In ungekünstelt schlichter Tongebung, aber mit ausgeprägtem Sentiment wurden Resignation und Klage angesichts menschlicher Vergänglichkeit verdeutlicht, nur vereinzelt durchbrochen von kurzem heftigen Aufbegehren. Es war, als würde man sich wiederfinden in einem intimen Stimmungsbild von sepiafarbenen Mattglanz. Was anfangs eher als Einschub zwischen zwei größeren Werken aussah, geriet zum ergreifenden, hochgradig emotional aufgeladenen Höhepunkt des 4. Philharmonischen Konzerts im Kleinen Saal der Glocke.

Gleichermaßen überzeugend trug das stets optimal harmonierende Duo die beiden Cello-Sonaten von Brahms vor. Nicht als Demonstration einer exzellenten Spieltechnik, die bei beiden Interpreten ohnehin niemals zu wünschen übrig ließ, sondern als tiefgründiges Erspüren und einer Auslotung dessen, was der Komponist mutmaßlich mitteilen wollte. Es waren dramatische, aufwühlend düstere Klanggewalten, angetrieben von scharf akzentuierten Strichen. Und daneben lyrisch zarte Melodien, die in inniger, mitunter melancholisch gefärbter Klangdichte durchgehend spannungsvoll ausgeführt wurden. Eine unter die Haut gehende Melange aus zornigem Aufbrausen und Fröhlichkeit, aus elegischer Wehmut und gemütsvoller Gelassenheit. Schmeichelnd schön, dabei anrührend und mitreißend zugleich. Ein faszinierend interpretierter Brahms.