- Philharmonisches Kammerkonzert mit dem Leonkoro Streichquartett
Mittwoch, 19.Februar 2025, im Kleinen Saal der Glocke
von Gerd Klingeberg
Sie haben sich den Namen Leonkoro-Quartett gegeben: die Brüder Jonathan (Violine) und Lukas Schwarz (Violoncello), die seit 2019 gemeinsam mit Geigerin Amelie Wallner und Bratschistin Mayu Konoe konzertieren. Ihre Ensemble-Bezeichnung bezieht sich nicht auf eine spezielle Person; das Esperanto-Wort bedeutet übersetzt Löwenherz – allerdings mit bewussten Anklängen an Astrid Lindgrens Roman „Die Brüder Löwenherz“.
Wenn dieser Name programmatisch sein soll, so ist davon beim Debut der Streicherformation im Kleinen Saal der Glocke zunächst noch eher wenig zu spüren. Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 23 KV 590, das dem preußischen König Friedrich Wilhelm II zugedacht ist, startet quasi lammfromm, besser gesagt: überaus einfühlsam und leichthändig ausgeführt. Dabei setzen die vier Streicher vor allem auf ausgeprägte Klangschönheit und feinsinnige Gefälligkeit. Von Beginn an imponieren die spieltechnische Exaktheit, die hochgradige Transparenz wie auch die perfekte Synchronizität und Homogenität ihres Vortrags. Blitzsauber gestrichene Melodielinien werden nahtlos von einem zum anderen Instrument weitergegeben, das Spiel verläuft flüssig und störungsfrei, hat eine angenehm entschleunigende Wirkung auf die Zuhörer. Dabei muten selbst die etwas schroffen Einwürfe des Cellos im sehr verhalten angegangenen, melancholisch angefärbten Andante-Satz noch edel und gemütvoll an.
Zugriffiger, energischer und akzentuierter geht es zu beim Menuetto-Satz, selbstverständlich ohne jegliche Abstriche in puncto Leichtigkeit. Und eine weitere Steigerung ist im 4. Satz Allegro zu erleben: Kraftvoll ausgeführte, von unstet schnellen Melismen umrankte Passagen streben zunehmend turbulent hin zum krönenden Finalakkord.
Wer indes glaubt, das Potenzial des Ensembles sei damit bereits ausgereizt, der irrt gewaltig. Denn als hätten sie alle einen kräftigen Energiedrink genossen, legen sie los bei Paul Hindemiths Streichquartett Nr. 2 f-Moll op. 10. „Sehr lebhaft – straff im Rhythmus“ lautet die Satzbezeichnung, die kernig hart und mit geradezu überbordender Verve umgesetzt wird. Allerdings nicht kopflos vorandrängend, sondern immer wieder von kurzen Pianissimos unterbrochen, die für stets neue, packend intensiv angegangene Impulse sorgen. Von größtmöglicher metrischer und dynamischer Varianz geprägt ist auch der Mittelsatz „Thema mit Variationen“, der einschmeichelnde Wunschtraummotive mit robuster Heftigkeit, liedhaft flirrende Melodik mit forsch Auftrumpfendem, Geheimnisvolles mit stürmischer Wucht organisch miteinander verbindet, um schließlich in einer Art verträumt anmutendem, als „allmählich verschleppend“ bezeichnetem Schlummerlied auszuklingen.
Mit dem vehement inszenierten Finalsatz legt das zunehmend löwenbeherzt aufspielende Quartett sogar noch eins drauf. Wieder wechseln forsche, straff pulsierende Metren mit weit ausgreifenden hochemotionalen Einschüben, akzelerieren in mitreißender Sturm-und-Drang-Manier in einer rasanten, hart tackernden Fortissimo-Prestissimo-Coda bis hin zum markant donnernden Schlussakkord. Das begeisterte Auditorium feiert die vier Musiker mit frenetischem Jubel.
Nach der Pause steht Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett Nr.4 e-Moll op. 44.2 auf dem Programm. Das Ensemble setzt dabei auf exzellent nuancierte Klangfarbigkeit mit reichlich romantischer Färbung. Satz 2 Scherzo erinnert frappant an vorbeihuschende Sommernachtstraum-Kobolde, während der nachfolgende Andante-Satz mit einer wunderschönen Lied-ohne-Worte-Sehnsuchtsmelodie in feinstem Mattglanz leuchtet. Das zwischen impulsiver Emphase und zwischenzeitlich kurzen lieblichen Sequenzen changierende Presto agitato bewegt sich dagegen unruhig wirbelnd mit durchgehender Stringenz und poco a poco schneller werdend hin zu seinen drei kurzen Basta-Schlussakkorden.
Für den erneut begeisterten Publikumsbeifall bedankt sich das Leonkoro-Quartett mit dem gleichermaßen witzigen wie unterhaltsamen, mitunter schräg dissonanten „Alla Serenata“ aus den „5 Stücken für Streichquartett“ des deutsch-jüdischen, wegen seiner „entarteten Kunst“ dereinst von den Nazis verfolgten und leider viel zu selten gespielten Komponisten Erwin Schulhoff.